Initiative i1684: Mindeststundenlohn für prekär Beschäftigte
 Ja: 74 (90%) · Enthaltung: 3 · Nein: 8 (10%) · Angenommen
Letzter Entwurf vom 16.12.2012 um 18:56 Uhr · Quelltext

Der folgende Text möge an passender Stelle (Überschrift, Subüberschrift) ins Parteiprogramm aufgenommen werden:

Text

Arbeit und Soziales

Arbeitsrecht

Prekäre Beschäftigung

Die Piratenpartei Österreichs fordert einen Mindeststundenlohn für prekär Beschäftigte, der sich am Bruttomindeststundenlohn für unselbstständig Erwerbstätige orientiert.
 

Begründung

Bei der Einführung dieses Bruttomindeststundenlohnes muss sichergestellt werden, dass prekär Beschäftigte diesen Stundenlohn wirksam einklagen können. Sobald sie den Stundenaufwand und die zu niedrige Entlohnung nachweisen können, ist die fehlende Summe einklagbar. Der prekär Beschäftigte muss den angefallenen Stundenaufwand verpflichtend auf der Rechnung anführen. Das stellt natürlich keineswegs sicher, dass es wirklich zu diesem Bruttomindeststundenlohn kommen wird, da man diese Regelung umgehen kann (z.B. wenn nicht die tatsächlich benötigte Zeit sondern viel weniger angegeben wird). Aber es stellt eine erste Grundlage für Preisverhandlungen dar.

Im vorlaufenden Meinungsbild ( https://lqfb.piratenpartei.at/initiative/show/1640.html ) war von Barbara Kaufmann und Richard Sennet die Rede, daher habe ich das hier nochmal herkopiert:

@Barbara Kaufmann: Frau Kaufmann geht es darum, dass sie -unabhängig von ihrem Status als freie Mitarbeiterin- schlicht und einfach ausgebeutet wird. Sie hat viel Konkurrenz am Markt und anders als in unselbstständiger Beschäftigung gelten für sie keine Kollektivverträge, die eine Nivellierung des Lohnes nach unten begrenzen würden. Es fehlt auch ein gesetzlicher Mindeststundenlohn, der den gleichen Effekt haben würde. Es sind von diesem Phänomen darüber hinaus nicht nur freie Mitarbeiter, sondern alle prekär Beschäftigten in Österreich betroffen.

Es gilt also, in einem Gesamtpaket alle Betroffenen zu helfen und nicht eine schlechte Situation so zu fördern, dass sich nichts am Problem ändert und der Preis sich trotz der Förderung weiter nach unten bewegen wird. "Förderungen" sind sinnlos, weil sie am Kernproblem vorbeigehen und sie daher der Markt sofort auffrisst.

@Richard Sennet: Sennet konstatiert völlig richtig, dass sich die Arbeitswelt geändert hat. Aber das trifft nicht nur auf freie Mitarbeiter zu. Gut bezahlte Uni Absolventen heuern heute bei Beratungsfirmen (Bilanzprüfer, IT, Consulting,...) an und werden jahrelang wie ein Wurfpostpackerl um die Welt geschickt. Das sind Angestellte mit guter Bezahlung. Man verspricht ihnen, dass sie "die Welt" sehen, dabei sehen sie nur Flugzeuge und Büroeinrichtungen auf der ganzen Welt, sowie Menschen in unterschiedlichen Hautfarben, die in Anzüge gekleidet sind. Mit "die Welt sehen" hat das wenig zu tun. Man sieht lediglich eine "Berufswelt" global.

Sennet beschreibt in seinem Buch genau so einen Arbeitnehmer (keinen freien Mitarbeiter!), der sich entfremdet fühlt. Das ist allerdings nicht nur ein Ergebnis dieses globalen Herumhetzens, sondern auch ein Resultat einer veränderten Arbeitswelt. Sennet beschreibt in einem späteren Buch (The Craftsman) das Problem, dass die Leute kein Handwerk mehr ausüben, wo sie sich am Ergebnis, am erschaffenen Produkt, erfreuen können. Ein Projektplan ist kein "Produkt", das man herzeigen kann. Ein komplexer Teil eines Computerprogrammes auch nicht. Der Restruktuierungsplan eines Unternehmens ist auch kein phyisches Produkt. Es sind Ergebnisse einer Dienstleistungsgesellschaft, die sich im virtuellen Raum abspielen, aber sehr wohl reale Auswirkungen haben. Das trifft freie Mitarbeiter genau so wie Angestellte.

Daher ist der Antrag in zwei Teile zu teilen: In den Teil der Ausbeutung und den Teil, wo es um sinngebende Arbeit geht. Der erste Teil kann politisch/rechtlich geändert werden (Mindeststundenlohn), weil er einen Auftraggeber beinhaltet. Der zweite Teil hingegen ist das Resultat der Erziehung durch die Eltern und der Wertestruktur einer Gesellschaft. Hier kann man mit Gesetzen wenig ausrichten. Wenn die Wertestruktur besagt, dass man kein Handwerk mehr lernen soll, sondern unbedingt studieren müsse, damit man was werde, dann wird es unweigerlich zu einer gewissen Entfremdung kommen
 

Änderungshistorie

16-DEC-2012: Erstellt