**Die Piratenpartei möge folgenden Standpunkt vertreten und in ihr Programm aufnehmen:** "Wir Piraten sprechen uns für die Einführung eines unabhängigen Weisungs- und Aufsichtsorgans über die Staatsanwaltschaft („Generalstaatsanwaltschaft“) aus, sowie für die Wiedereinführung des Untersuchungsrichters. Wir sind überzeugt, dass sich ohne eine solche Reform politisch geschützte Personen weiterhin ihrer strafrechtlichen Verantwortung – insbesondere in Korruptionsfällen – entziehen werden können." __Begründung__: Strafverfolgung in Österreich? Heutzutage werden viele Menschen den Eindruck einer Zweiklassenjustiz nicht los. Der Vorwurf, mit politischem Einfluss oder einer Menge Geld könne man der Strafverfolgung entgehen, ist nicht neu. In der öffentlichen Diskussion und vor allem in Äußerungen von Justizministern wird daher die „Unabhängigkeit der Justiz“ immer wieder in betont, als ob sie keine Selbstverständlichkeit wäre. Nimmt man das System aber etwas genauer unter die Lupe, merkt man schnell, dass das andauernde Beschwören der Unabhängigkeit durchaus seine Berechtigung hat – immerhin existiert sie in dem so wichtigen Rechtsbereich des Strafrechts nicht. In Österreich hat die Staatsanwaltschaft das Anklagemonopol – nur was der Staatsanwalt anklagt, kann der Richter verurteilen (siehe aktuell das Urteil im sogenannten „part of the game“- Prozess gegen Uwe Scheuch, welches aufgehoben wurde, weil der Richter in seiner Urteilsbegründung den Amtsmissbrauch auch aufgrund von Tatsachen als begangen angesehen hat, die nicht Teil der Anklage waren). Die Staatsanwälte aber sind dem Justizminister weisungsgebunden. Der Justizminister ist wiederum kein Unabhängiger, sondern ein Parteipolitiker, dessen Interesse meist seiner eigenen Klientel gilt. Wenn der Justizminister die Anklage eines Verhalten, welches eigentlich angeklagt werden müsste per Weisung untersagt, begeht er selbst Amtsmissbrauch. Doch wer könnte ihn verfolgen? Die 2010 eingerichtete Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft wäre zwar zuständig, jedoch wird auch sie politisch bestellt – also wieder keine Unabhängigkeit. Außerdem ist mittlerweile in diesem Zusammenhang der Begriff des „vorauseilenden Gehorsams“ gebräuchlich – der Staatsanwalt weiß, dass er vom Justizminister abhängig ist und ermittelt daher von Anfang an von selbst in die gewünschte Richtung. Dieser Missstand wurde bis zum Jahr 2008 dadurch abgemildert, dass ein unabhängiger Untersuchungsrichter das Ermittlungsverfahren geleitet hat. Ein gewissenhafter Richter konnte also auch gegen den Willen des Justizministers ermitteln und Beweise sammeln. Die gesammelten Beweise leitete er dann an die Staatsanwaltschaft weiter. Rechtlich konnte diese zwar immer noch das Verfahren beenden. Durch die gesammelten Beweise und den aufgeklärten Sachverhalt war der einzelne Staatsanwalt jedoch bei rechtsmissbräuchlicher Einstellung des Verfahrens einem erhöhten Risiko ausgesetzt, sich damit selbst angreifbar zu machen (auch im Fall seines Amtsmissbrauch würde wieder ein unabhängiger Untersuchungsrichter ermitteln). Seit 2008 leitet der Staatsanwalt selbst das Ermittlungsverfahren und damit wurde das bis dahin schon bestehende Problem der Weisungsgebundenheit der Staatsanwaltschaft virulent. Ob diese Gesetzesänderung den Vorgängen der vorangegangenen Regierungsperioden geschuldet sein könnte, darf vermutet werden. Es ist bezeichnend, dass Abgeordneten zum Parlament die Untersuchung der Korruptions(verdachts)fälle in Österreich in einem Untersuchungsausschuss aufzuklären versuchen. Zwar ist Aufklärung dringend nötig und der Ehrgeiz (mancher) Politiker in dieser Hinsicht lobenswert, jedoch sind die Piraten der Ansicht, dass die dafür zuständige Staatsanwaltschaft ordnungsgemäß untersuchen sollte und ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss allenfalls ergänzend tätig werden sollte. Dies geschieht leider in unzureichendem Ausmaß. Gerade das Strafrecht, mit seiner abschreckenden und zum gesetzestreuen Leben anleitenden Präventionsfunktion ist jedoch für die Gesellschaft das letzte Rückgrat. Wenn Delikte des Strafgesetzbuches (von Mord zu Betrug, Amtsmissbrauch, Geldwäsche und vielem mehr) vom Staat in Einzelfällen nicht verfolgt werden, ist dies nicht nur der Rechtstreue jener, die es sich „richten“ können abträglich (Wer weiß, dass er ohnehin nicht zur Verantwortung gezogen wird, verhält sich möglicherweise anders als jemand, der eine hohe Strafe in Kauf nehmen würde). Wenn nicht alle vor dem Gesetz gleich sind, wird außerdem das Vertrauen in einen gerechten Staat schwer erschüttert. Und da die Gesetze, die diesen Missstand hergestellt haben demokratisch zustande gekommen sind, wird hier nicht zuletzt das Funktionieren unseres demokratischen Systems infrage gestellt. Nicht zuletzt muss darauf hingewiesen werden, dass die Weisungskette von Justizminister – einem Organ der Exekutive – zur Staatsanwaltschaft, also der Gerichtsbarkeit, verfassungsrechtlich sehr bedenklich ist, weil ein verfassungsrechtliche Grundprinzip der Gewaltenteilung ausgehöhlt wird. Wenn die Weisungsspitze der Anklagebehörde in Österreich (die Justizministerin) von einer unabhängigen Justiz spricht, ist ihr nicht Unwissenheit, sondern Wählertäuschung zum Vorwurf zu machen. Andere Politiker sind zweifellos (nicht nur in diesem Bereich) durch Unkenntnis und Desinteresse tatenlos. Die Lösung des Problems ist jedoch in weiten Fachkreisen schon seit Jahren bekannt und wird immer wieder gefordert: Eine unabhängige Generalstaatsanwaltschaft für das gesamte Bundesgebiet, auf die die Aufsicht und das Weisungsrecht vom Justizminister übergeht. Ein Blick an Österreichs südliche Grenze ist ratsam: In Italien haben die dort unabhängigen Staatsanwälte Beachtliches geleistet und tausende Personen aus Wirtschaft und Politik wegen Korruptionsverdacht verhaftet und angeklagt. Dass auch Italien für Korruption und die dortige Justiz für Einflussnahme von außen anfällig ist, steht außer Zweifel, jedoch scheitert dort vieles an der Rechtsdurchsetzung, nicht wie hierzulande schon an der Rechtslage. Zur ergänzenden Sicherung der Unabhängigkeit sollte auch die Wiedereinführung des Untersuchungsrichters angedacht werden. Immerhin ist nur 4 Jahre nach dessen Abschaffung die Zufriedenheit mit der Justiz auf einem neuen Tiefpunkt angelangt. Die Lösung liegt also nahe, nun fehlt nur der Mut der Herrschenden oder das Auswechseln derselben. Weiterführende Links: www.reise-nach-italien.de/staatsanwalt.html journal.juridicum.at/?c=145&a=1668 www.wienerzeitung.at/nachrichten/politik/oesterreich/442385_Wer-fuehrt-das-Justizministerium.html